Der Mittelstand: Deutschlands Bollwerk in stürmischen Zeiten

Der Mittelstand: Deutschlands Bollwerk in stürmischen Zeiten

  • September 2019

Der Mittelstand ist nicht nur in seinem Heimatland Deutschland beliebt, sondern wird auch im Ausland mit Anerkennung bedacht – und manchmal auch mit einer gewissen Portion Neid. Er gilt als der David, der auf dem rauen globalen Markt gegen den Goliath der Großkonzerne kämpft und dabei oft den Sieg davonträgt, obwohl die Politik ihn allein lässt und sich lieber mit den mächtigen CEOs der Konzerne trifft.

Doch tragen die Mittelständler tatsächlich mehr zum Wohl unseres Landes bei als die großen Konzerne? Oder sind sie einfach clevere Füchse, die geschickt ihr positives Image pflegen – Ehrlichkeit, Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung – und dieses positive Image dann in Stellung bringen, um sich mithilfe ihrer Verbände im Wettbewerb mit den Großen einen Vorteil zu verschaffen?

Politiker aller Parteien scheinen den Mittelstand zu mögen. Beispielhaft dafür ist eine Passage aus dem Grundsatzprogramm der Grünen: „Der Mittelstand ist im Gegensatz zu den großen Wirtschaftselefanten in der Lage, sich schnell an neue Situationen und Herausforderungen anzupassen und flexible, menschennahe Antworten zu geben. Hier wird ein Großteil der Arbeitsplätze geschaffen.“

Sogar die Linkspartei sieht den Mittelstand irgendwie als Opfer des Kapitalismus, das man unter den besonderen Schutz des Staates stellen muss. In ihrem Parteiprogramm heißt es: „Banken müssen gesetzlich verpflichtet werden, einen festgelegten Mindestanteil ihrer Bilanzsumme in Form von Kleinkrediten zu niedrigen Zinsen an mittelständische Unternehmen zu vergeben.“ Über eine solche Unterstützung würde sich mancher Mittelständler durchaus freuen.

Bei der SPD gehört der Mittelstand ebenfalls zu den Guten. So sagte auf dem Parteitag im vergangenen Jahr die damalige Parteichefin Andrea Nahles: „Uns geht es um die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, den Mittelstand.“ Und die CDU? Ihrem Grundsatzprogramm zufolge sollte der Staat „Existenzgründer und kleine und mittlere Unternehmen durch optimale Rahmenbedingungen fördern“. Große Unternehmen hingegen werden an dieser Stelle zumindest nicht erwähnt.

Auch die AfD sieht den Mittelstand als positive Kraft an, fordert allerdings keine gezielte Förderung, sondern schlicht Fairness. „Wir wollen gleiche Regeln für alle – ob groß, ob klein, in jeder Branche. Neben der Steuerpolitik besteht unser Beitrag für den Mittelstand im Bürokratieabbau und einem Ende der Überregulierung. Jede Regelbefolgung verursacht Kosten, die bei Großunternehmen geringer ins Gewicht fallen als beim Mittelstand“, heißt es im Parteiprogramm.

Doch das einhellige Loblied auf den Mittelstand im gesamten politischen Spektrum darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein Mittelständler sehr wohl in Ungnade fallen kann, wenn er nicht die zahlreichen Erwartungen erfüllt, die an ihn gestellt werden: Er soll großzügig ausbilden, Mitarbeiter „fair“ bezahlen, umweltfreundlich sein, regionale Feste und Sportveranstaltungen unterstützen und überhaupt soll er sich bescheiden verhalten.

Wenn etwa ein Unternehmer, der besonders gefragte Produkte besonders ressourcenschonend auf den Markt bringt, mit seiner Firma reich wird, dann kann schnell die Forderung aufkommen, dass er einen erheblichen Teil dieses Reichtums abgeben soll. Sollte er das ungerecht finden, so gehört er nicht mehr zu den Guten – außer vielleicht noch bei der FDP und bei Teilen von CDU und AfD.

Trotzdem: Solange der Mittelständler nicht aus der Reihe tanzt, darf er sich des Lobes des ganzen Landes sicher sein. Es ist wie beim Thema „saubere Umwelt“ – auch das finden alle Parteien gut und alle wollen eine Entwicklung in diese Richtung fördern. Starke Unterschiede zeigen sich erst bei den Maßnahmen, die sie ergreifen wollen, um das erklärte Ziel zu erreichen – so ist es auch beim Thema Mittelstand.

Die Mittelständler wünschen sich laut Wahlumfragen eine ganz andere Politik, als die meisten Deutschen. Wenn hierzulande nur Unternehmer wählen dürften, hätte Schwarz-Gelb eine Zweidrittelmehrheit und die Grünen wären Oppositionsführer. Die AfD wäre nur eine kleine Fraktion. Die Linke und die SPD würden wahrscheinlich an der 5-Prozent-Hürde scheitern und wären erst gar nicht im Bundestag vertreten.

So weit geht der Liebe der Deutschen zum Mittelstand dann eben doch nicht, dass sie sich für dessen Wünsche an der Wahlurne einsetzen würden. Die Deutschen sind im Hinblick auf den Mittelstand wie schlechte Eltern, die zwar sagen, wie sehr sie ihre Kinder lieben – doch in Wirklichkeit haben sie gar keine Ahnung, was die Wünsche ihrer Kinder sind.

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