Europa zuerst: Die EU und der Handelskrieg

Europa zuerst: Die EU und der Handelskrieg

  • Juli 2018

Die Europäische Union muss sich an vielen Fronten gleichzeitig beweisen: im Handelskrieg mit den USA und China, im globalen Wettstreit um die Markführerschaft bei neuen Technologien, im geopolitischen Rodeo um Syrien und die Neuordnung des Nahen Ostens.

Verschärft wird die Lage durch erhebliche Zentrifugal-Tendenzen im Inneren: Der Austritt Großbritanniens und die daraus folgenden Verteilungskämpfe nach dem Wegfall eines Netto-Zahlers, die weiter schwelende Eurokrise, die Spaltung in Ost und West wegen der Migrationskämpfe und vor allem die Regierungswechsel und Krisen in einigen Kern-Staaten.

Bisher ist es den Staaten der EU immer gelungen, Krisen durch Kompromisse oder Deals zu lösen. Doch diesmal haben sich zusätzlich zu den Sach-Konflikten auch die globalen Koordinaten verschoben: Die US-Regierung unter Präsident Donald Trump will sich angesichts der wachsenden Bedeutung der eurasischen Staaten, allen voran China, nicht länger in ein multilaterales Korsett einspannen lassen. Trump hat in den vergangenen Monaten klargemacht, dass die US-Politik ausschließlich bilateral geführt werden wird. Diesen Ansatz zieht die Regierung konsequent durch: Ausstieg aus dem Pariser Klima-Abkommen, finanzielle Forderungen an die NATO-Partner, Ausstieg aus dem pazifischen Freihandelsabkommen. Die Neupositionierung geht einher mit teils scharfer Kritik an internationalen Organisationen.

Die USA reagieren mit der neuen Fokussierung auf ihren unaufhaltsamen Bedeutungsverlust als globale Hegemonialmacht. Zwar kann die Stellung des US-Dollars als Weltwährung mit militärischen, juristischen und geheimdienstlichen Mitteln durchaus noch eine Zeitlang aufrechterhalten bleiben, doch die jungen Gesellschaften in Afrika und Lateinamerika sowie die Expansionsbestrebungen Chinas in genau diesen Wachstumsmärkten lassen den Amerikanern kaum eine andere Wahl.

Die EU trifft diese tektonische Veränderung zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Sie ist ohnehin als Konstruktion nur bedingt handlungsfähig. Mit der EU-Kommission hat sie eine Quasi-Regierung ohne Mehrheit. Das EU-Parlament ist ein Tummelplatz für Lobbyisten-Kriege und ein Versorgungsreservoir für die nationalen Parteien-Altkader. Die wahre Macht aber liegt beim EU-Rat, wo die nationalen Regierungen bestimmen. In diesem unübersichtlichen Wirrwarr der Interessen ist es ohnehin schon schwer, eine konsistente Strategie zu verfolgen und rasche taktische Entscheidungen zu treffen.

Neben den externen Veränderungen ist die EU aber durch die internen Umbrüche faktisch paralysiert: Nach den Wahlen in Italien und Österreich hat eine Achse in der EU faktisch eine Sperrminorität, die, ähnlich wie Trump, ihre nationalen Interessen vor die Unterordnung unter die Vorgaben der EU-Kommission stellt. Zu der Achse gehören die Visegrad-Staaten und – entgegen seiner scheinbar EU-freundlichen Rhetorik – auch Frankreich. Die Nordstaaten haben sich bereits vor einiger Zeit still und leise aus zentralen Projekten der Vergemeinschaftung bei der Schulden- und Migrationspolitik verabschiedet. Deutschland ist politisch isoliert und kann eine führende Rolle nur noch wegen seiner starken Wirtschaft spielen.

Genau auf diese zielen aber die „America first“-Fanfaren der Amerikaner: Sie wollen den Deutschen und den anderen Europäern Marktanteile auf den globalen Märkten abjagen und verändern zu diesem Zweck in rascher Folge die Spielregeln. Freihandel ist das Zauberwort – und genau deshalb sind die Briten aus der EU ausgetreten: Sie haben erkannt, dass ein Abstimmungsprozess zwischen 28 gänzlich unterschiedlichen Interessen zur Handlungsunfähigkeit führt.

Der Plan der EU, nach dem Austritt der Briten einfach mit 27 weiterzumachen wie bisher, ist nicht realistisch: Mit Großbritannien verliert die EU nicht nur einen Nettozahler. Sie verliert auch einen wichtigen Player als Partner, der auf den globalen Finanzmärkten und Schlachtfeldern knallhart seine Interessen vertritt. Die Migrationskrise wird die Spaltung weiter vertiefen.

Ein Abgang von Bundeskanzlerin Angela Merkel, wie er von den rechten Regierungen in Europa unter Anleitung des Trump-Beraters Steve Bannon betrieben wird, würde Deutschland nicht automatisch handlungsfähig machen, im Gegenteil: Die zersplitterte Parteienlandschaft hat auch in Berlin zu italienischen Verhältnissen geführt. In einem solchen Zustand ist es für ausländische Agitatoren besonders einfach, zu intervenieren und verdeckte Interessen zu lancieren. Die EU steht außerdem am Beginn des nächsten, internen Verteilungskriegs – nämlich den EU-Wahlen. Ein stabiles Umfeld in einer sich rapide verändernden Welt sieht anders aus.

 

Sind Sie an dieser oder einer anderen Ausgabe aus unserem Archiv interessiert? Dann schreiben Sie uns eine Email mit der genauen Ausgabennummer, dem Titel und der gewünschten Stückzahl an:
leserservice@deutsche-wirtschafts-nachrichten.de