Vorsicht wird nicht belohnt: Sparen – eine Illusion

Vorsicht wird nicht belohnt: Sparen – eine Illusion

  • Oktober 2016

Eine Analyse historischer Daten zur Entwicklung der Sparguthaben in Deutschland kommt zu einem erstaunlichen Ergebnis. Deutsche Sparer haben demnach seit 1968 öfter reale Zinsverluste auf ihre Guthaben verkraften müssen, als sie positive Gewinne erzielten.

Auffallend ist zudem die hohe Anzahl an Monaten, in denen der Zinsertrag auf Ersparnisse praktisch bei Null lag. Der durchschnittliche reale Zinsertrag seit 1968 ist deshalb negativ. Das Wehklagen über die EZB-Politik ist daher nur teilweise angebracht, weil die radikalen Niedrigzinsen über einen längeren Zeitraum naturgemäß besonders an den Sparguthaben nagen.

„Seit September 1968, als die Bundesbank mit ihren Aufzeichnungen begonnen hatte, waren die realen Zinserträge in 309 Monaten negativ, positiv in 209 Monaten und lagen in 58 Monaten bei null Prozent. In anderen Worten – die deutschen Sparer haben über die größten Strecken der vergangenen 48 Jahre Geld verloren“, analysiert der Nachrichtendienst Bloomberg. Die durchschnittliche Zinsrate in dieser Periode war demnach tatsächlich negativ und lag bei minus 0,16 Prozent.

Durch die Politik der Negativzinsen und den Ankauf von weiteren Staatsanleihen hat die EZB die Lage der Sparer verschärft und gleichzeitig die Weichen zur Erholung der Wirtschaft falsch gestellt. Ihre Maßnahmen beruhen nämlich auf den falschen Annahmen. Die Kosten für Wohnraum werden im Inflationsindex nicht berücksichtigt. Die Erdöl-Preise werden dagegen überwertet.

Seit Jahresmitte 2014 sind die Erdölpreise drastisch eingebrochen – vergleichbar dem inversen Erdölschock von 1985/86. Ein willkommenes Konjunkturprogramm für die Eurozone, vor allem für die krisengeplagten Peripherieländer. Die hicp-Inflationsrate ist auf Null gefallen, gegenwärtig sogar etwas darunter. Doch wegen ihrer falschen Berechnungsmethode hat die EZB ebenso falsch reagiert. Sie führt Negativzinsen ein, installiert ein riesig dimensioniertes Staatsanleihen-Kaufprogramm und bereitet eine Zukunft mit noch viel mehr Negativzinsen vor – beispiellose Aktionen, die einem gewaltigen, geldpolitischen Experiment entsprechen.

Die Geldpolitik der EZB wirkt als ein prozyklischer Verstärker massiver Bewegungen der Energiepreise und im Kern von Erdölschocks. Das ist ein schwerer Fehler des geldpolitischen Konzepts, mit seiner unmittelbaren Fixierung auf signifikante Abweichungen der hicp-Inflationsrate von der als knapp unter 2 Prozent definierten Preisstabilität. Die dominanten Nachfrageeffekte der Erdölpreise werden unterschätzt, die Zinspolitik verstärkt die Wirkung dieser Nachfrageeffekte.

In der heutigen Situation ist das Ganze noch erheblich riskanter. Signifikante Deflationsrisiken bestehen zwar und sind vorhanden, haben aber ganz andere Ursachen und müssen daher durch die Geld-, Finanz- und allgemeine Wirtschaftspolitik auch ganz anders angegangen werden. Der Marsch Richtung Negativzinsen ist ein gigantischer, geldpolitischer Fehler, der die Deflation von einer zusätzlichen Front anheizen würde.

Die fatalen Folgen: Die Sparer werden noch rascher enteignet als in den vergangenen Jahrzehnten. Doch der Wirtschaft hilft das große Opfer der europäischen Sparer nicht.

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