Sicher Sparen: Niedrige Zinsen und die Folgen

Sicher Sparen: Niedrige Zinsen und die Folgen

  • Mai 2016

Über die niedrigen Zinsen können sich nur die Regierungsparteien freuen: Sie können weiter Geschenke verteilen, brauchen die Verwaltung nicht zu verkleinern, können sich in immer neue Bereich ausdehnen – und sich so bis zur nächsten Wahl Freunde und Abhängige schaffen.

Für alle anderen sind die niedrigen Zinsen ein gewaltiges Problem: Denn wegen der Unsicherheit der Renten müssen die Europäer sparen, vor allem aber die Deutschen. Denn auf die Zinsen kann man aktuell nicht bauen. Um trotzdem etwas für das Alter zu tun, bleibt der Konsumverzicht: „Bei einer noch länger anhaltenden Niedrigzinsphase könnte der Konsumverzicht dann durchaus in Höhe eines Kleinwagens ausfallen“, sagt Markus Demary vom Institut der Deutschen Wirtschaft Köln. Damit kann man versuchen, das Schlimmste zu verhindern. Diese Methode bietet allerdings keinerlei Sicherheit: Die Einführung von Negativzinsen war ein erster Schritt.

Zunächst waren es die Banken, dann die großen Vermögen und es ist nicht besonders gewagt zu behaupten, dass man bald für sehr überschaubare Einlagen auf der Bank eine Strafgebühr wird zahlen müssen. Mit der schrittweise Einschränkung des Bargelds wird die Durchsetzbarkeit der Negativzinsen auch erzwungen: Die Abschaffung des 500 Euro-Scheins ist der erste Schritt, die Bargeldobergrenze in der EU wird der nächste sein. Neben den Beschränkungen der Verfügungsgewalt über ihr Eigentum sind die Sparer außerdem der Inflation ausgesetzt: Die ist zwar offiziell niedrig, doch faktisch basiert das Modell der Berechnung in der Euro-Zone auf falschen Annahmen. Erdöl ist übergewichtet, weshalb die niedrigen Ölpreise suggerieren, dass die Inflation niedrig ist. Tatsächlich ist die Inflation etwa im Bereich der Lebensmittelpreise erheblich.

Die Flucht in Immobilien ist in solchen Zeiten besonders beliebt. Doch kann das in die Falle führen. Denn die Blasenbildung in vielen Märkten ist mit bloßem Auge zu erkennen. Außerdem verlocken die niedrigen Zinsen viele Leute zu einer Kreditaufnahme, die sich das nicht leisten können. Ähnliches war bei der Subprime-Krise in den USA geschehen – mit den bekannten Folgen im Jahr 2007.

Wer glaubt, dass die niedrigen Zinsen für die Banken das reine Vergnügen sind, der irrt: In Ländern wie Spanien, Portugal und Dänemark werden Kredite für Immobilien nicht selten mit einem variablen Zinssatz vergeben. Dieser orientiert sich am Interbankenzins, dem Euribor. Dieser ist je nach Laufzeit unterschiedlich, liegt derzeit jedoch für alle Laufzeiten zwischen einer Woche und 12 Monaten im Negativbereich. Das führte in den Ländern mit variablen Zinsen auf Immobilienkredite dazu, dass einige Kreditnehmer keine Zinsen auf ihre Kredite zahlen mussten bzw. quasi Geld von der Bank bekamen. Allerdings kann sich das schnell wieder ändern. Wer jetzt aufgrund der niedrigen Zinsen einen Immobilienkredit mit variablen Zinsen aufnimmt, muss damit rechnen, dass dies bei steigenden Zinsen teuer werden kann. Aktuell niedrige Zinsen dürfen nicht das einzige Argument für den Kauf einer Immobilie sein.

Die Regularien um Basel II, III und bald IV machen den Banken darüber hinaus zu schaffen: Sie sollen dem Regulator alles erklären und möglichst alle Risiken voraussehen. Das ist unmöglich und realitätsfremd. Es ist außerdem widersprüchlich im Hinblick auf den Gesamttrend: Mit den niedrigen Zinsen werden alle Marktteilnehmer – Banken, Vermögensverwalter, Pensionsfonds, Sparer – strukturell in risikoreiche Anlagen getrieben. Dies führt zu globalen Fehlallokationen, die viel riskanter sind als ein Wohnungskredit für eine junge Familie. Während hier die Bank auch schon die Bonität des Kreditnehmers in der Zukunft prüfen soll, können sogar die meisten professionellen Anleger nicht mehr sagen, wo ihre Risiken bei Spekulationsgeschäften, Zinswetten und Derivaten liegen. Selbst die Experten kapitulieren wegen der massiven Vernetzung im Finanzsektor: Niemand weiß, was passiert, wenn an einer Stelle ein Stein herausbricht.

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