Exporte unter Druck: Der Rohstoff-Schock

Exporte unter Druck: Der Rohstoff-Schock

  • Oktober 2015

Die Weltmärkte haben allen Grund, irritiert zu sein: Fallende Rohstoff-Preise sind die Vorboten eines markanten Abwärtstrends. Dieser trifft zuerst die Schwellenländer – und schließlich die Exportmärkte. Kaum ein anderes Land ist so anfällig für diese Entwicklung wie Deutschland. Auch die anderen entwickelten Volkswirtschaften blicken mit Sorge auf diese Zustände. Entscheidend ist der Preismechanismus, um zu verstehen, warum hier keine schnellen Lösungen oder hektische Rettungsmaßnahmen greifen. Die Entwicklung nimmt ihren Ausgang in China, wo die staatliche Lenkung der Kreditwirtschaft die Preisfindung etwas verzerrt.

Im Rest der Welt läuft der Rohstoffmarkt allein oder hauptsächlich über die Preise. Der Bergbau und die damit verbundenen verarbeitenden Industrien hatten weltweit während rund 20 Jahren, zwischen 1980 und 2000, nicht viel investiert, unter Umständen sogar devestiert – also nicht einmal die Anlagen ordentlich unterhalten. Nach einer solch langen Phase niedriger Preise und Margen braucht es längere Phasen hoher und steigender, ja überschießender Preise, um das Angebot und die Kapazität eines Sektors nachhaltig zu steigern.

Die erhöhten Preise hatten auch Signalcharakter. Die Bereitschaft der Banken, Kredite zu gewähren, und der Investoren, in Aktien und Kreditinstrumente des Sektors zu investieren, reifte heran, sehr viele und langfristige Kredite zu gewähren. Wichtig für eine solche Expansion der Investitionen ist, dass dies von den Beteiligten nicht als Teil eines zyklischen Prozesses verstanden wird, sondern als Bote einer neuen Zeit. Denn Investitionsprojekte im Bergbau dauern rund 10 Jahre oder länger, bevor die neu erstellten oder erweiterten Kapazitäten überhaupt auf den Markt kommen.

Bei fallenden Preisen wirkt jetzt der Preismechanismus in umgekehrter Richtung. Aufgrund der scharf fallenden Preise schmilzt einmal der Cash-Flow der Bergbau-Unternehmen rapide dahin. Sie stecken noch in laufenden, unter Umständen großen, Investitionsprojekten und haben deswegen hohe laufende Ausgaben. Die stark fallenden Preise signalisieren Banken und Investoren darüber hinaus verdüsterte und auch teilweise miserable Zukunftsaussichten. Der Zufluss von Kapital versiegt. Banken dürfen aufgrund von Risikomodellen und Eigenkapitalvorschriften keinen neuen Kredit mehr geben – jetzt wo er am nötigsten wäre. Investoren, die realisieren, dass sie in diesen Bereich wohl zu viel investiert haben, ziehen sich intuitiv ebenfalls zurück. Ein Teil versucht verzweifelt, Anlagen zu verkaufen und realisiert hohe Verluste. Ein anderer Teil betrachtet sie neu als ganz langfristige Anlagen. Augen zu und durch. Die Aktienpreise kollabieren.

Der Preis der Rohstoffe bestimmt das Handeln vieler Akteure. Weil der Preis der Rohstoffe scharf gefallen ist, versiegt der Kapitalzufluss in diese Länder. Weil dieser versiegt, kollabiert ihre Bautätigkeit. Damit reduziert sich die Nachfrage nach ihren eigenen Rohstoffen, Industriemetallen, Baumaterialien oder Energie. Die Spirale dreht weiter nach unten. Es gibt kein einfaches Entrinnen aus dieser Konstellation. Weil die Notenbanken die Zinsen längst auf Null getrieben haben, fehlt ein letzter Retter, der den Absturz stoppen könnte.

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