Megatrends: Zweite Chance für Deutschland

Megatrends: Zweite Chance für Deutschland

  • Januar 2015

Seit Monaten verändert Google unmerklich die Struktur des Unternehmens. Ende des Jahres kündigte Google an, ab 2015 die ersten selbstfahrenden Autos auf die Straßen Kaliforniens zu entlassen, als reale Tests für eine bisher eher der Science Fiction zugeordnete Entwicklung. Mitte Januar ist das Unternehmen beim US-Weltraumunternehmen SpaceX eingestiegen. Gemeinsam werden jetzt Satelliten entwickelt, die das Internet an jeden Fleck der Erde bringen sollen. Milliarden Menschen erhalten so billigen Netzzugang. Kommunikation, Konsum und Kontrolle sind dann überall und jederzeit möglich.

Mit dem Zukauf von Unternehmen, die im Bereich Industrie 4.0 tätig sind, setzt das Unternehmen einen Trend, der die gesamten Produktionsprozesse weltweit revolutionieren wird. Der Prozess muss nicht zwangsläufig den amerikanischen Großkonzernen überlassen werden. Die Integration von Daten in Lebensprozesse geschieht fast immer an einem Schnittpunkt, an dem der Konsument mächtig ist: Er kann entscheiden, wem er seine Daten gibt und nur so wirkungsvoll verhindern, dass sie ihm entgleiten. Diese Marktmacht ist für Deutschland eine erhebliche Chance. Die lauten Rufe nach mehr Innovation in diesem Land werden zwar vom Wehklagen begleitet, dass Deutschland im Bereich der Suchmaschinen-Technologie alle Entwicklungen verschlafen hat, doch diesen Fehler müssen Wirtschaft und Gesellschaft in Europa nicht zwangsläufig wiederholen. Erste Ansätze sind bereits zu erkennen: Daimler steigt gegen Google in den Ring und entwickelt ein autonomes Fahrzeug, dessen Innenraum dem eigenen Wohnzimmer gleicht. Die Fahrzeugbeleuchtung kommuniziert mit Fußgängern. Bewegungssensoren ermöglichen Befehle durch Gesten und Augenbewegungen. Das Fahren an sich rückt in den Hintergrund.

In Deutschland schließen sich ländliche Gemeinden zusammen, um sich selbst mit Breitband-Internetanschlüssen zu versorgen. Der Staat hat eine flächendeckende Versorgung mit schnellen Datenstraßen zwar zum Ziel erhoben, tut aber noch zu wenig. In ländlichen Gegenden ist der teure Ausbau für die Telekom-Anbieter trotz Subventionen unrentabel. Die Zahl der Anwendungen, die sich im Bereich Industrie 4.0 ergeben, sind fast unbegrenzt: Das Smartphone verschmilzt mehr und mehr mit dem menschlichen Körper. Innovative Geräte, die Technik und Mensch zusammenbringen, boomen. Sogar das Zähneputzen findet bereits mittels App und kompatibler Zahnbürste im Internet statt.

Ein besonders großer Zukunftsmarkt ist die Gesundheit. Fitnessgeräte sind zunehmend online und eng mit dem Körper verbunden. Armbänder messen Herzfrequenz sowie Pulsschlag beim Sport und speichern Trainingserfolg sowie verbrannte Kalorien. Wenn gewünscht, kann der Verlauf auch von anderen online mitgelesen werden. Das kann motivieren.

Forschern der Universität Washington ist es sogar gelungen, Gedanken zwischen Versuchspersonen via Internet zu übertragen. Die Gedanken einer Person kontrollierten die Handbewegungen einer zweiten Person. Künftig könnte damit beispielsweise Wissen ohne Umweg über die Kommunikation direkt vom Lehrer auf Schüler übertragen werden. Die Technologie geht sogar noch weiter: Mittels eines kleinen, tragbaren Gerätes kann per Knopfdruck die Stimmung der Nutzer verändert werden. In Verbindung mit dem Smartphone leitet es via App kleine Stromimpulse unter die Kopfhaut. Diese haben je nach Wunsch eine aufputschende oder beruhigende Wirkung.

Diese Entwicklung birgt ohne Zweifel erhebliche Gefahren: Die Ausschweifungen der NSA und aller anderen Geheimdienste haben gezeigt, dass staatliche oder kommerzielle Unternehmen nicht die geringsten Hemmungen haben, sich die Daten der Nutzer anzueignen und sie am Ende auch gegen die Bürger zu verwenden. Die Rufe nach gesetzlichem Schutz sind berechtigt und werden dennoch nur begrenzt Wirkung zeigen.

Daher ist der beste Schutz für die Bürger die Kontrolle über die Entwicklung jener Produkte, die sie am Ende verwenden wollen. Von den Regierungen ist hier wenig Unterstützung zu erwarten. Sie sind im Netz der Lobbyisten gefangen und haben kein Interesse an mündigen Bürgern, die die Produktionsmittel kontrollieren. Die EU forciert die Zwei-Klassen-Gesellschaft im Internet. Ihre Vorstellung von der Förderung der Digitalwirtschaft bedeutet Vorteile für die großen Telekom-Konzerne. Gestern noch Neuland, ist das Internet heute schon von Lobbyisten besetzt. Sogar der Erfinder des Internets appelliert an die Politiker, programmieren zu lernen. Man müsse verstehen, was alles mit einem Computer machbar ist, um Gesetze darüber zu schreiben.

Die Schlüsseltechnologie zur Modernisierung der Industrie ist die Vernetzung der Maschinen (M2M-Kommunikation). Erfolge werden damit überwiegend in den Betrieben erzielt, in denen ausgewiesene Fachkräfte IT- und Fertigungswissen miteinander verbinden können. Tatsächlich geht das IT-Wissen der sogenannten Digital Natives einer Studie zufolge meist nicht über die Fähigkeiten hinaus, die neuesten Spiele zu beherrschen und mit mehreren Freunden gleichzeitig zu chatten. Die Einführung der Informatik als Pflichtfach erscheint da als eine Maßnahme, die schon vor zehn Jahren von der Politik hätte umgesetzt werden müssen.

Einer aktuellen Umfrage von Bitkom zufolge spricht sich eine große Mehrheit (75 Prozent) der Schüler selbst für Informatik als Pflichtfach ab Klasse fünf aus. Zugleich stellt das Land NRW fest, dass es zu wenige Mathematik- und Physiklehrer hat. Bildung und Bürgersinn sind jedoch die Pfeiler, die errichtet werden müssen. Dann besteht eine reale Chance, dass die Konsumenten das Eigentum an den Produktionsmitteln der Zukunft gewinnen.

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