USA gegen Russland: Europa zwischen den Fronten

USA gegen Russland: Europa zwischen den Fronten

  • Oktober 2014

Der Handelskrieg, in den die EU auf Druck der USA geraten ist, wird sich in diesem Jahr äußerst nachteilig auf die deutsche Wirtschaft auswirken. Die Maschinenbauer werden erhebliche Verluste einfahren, weil sie Aufträge verlieren. Der deutsche Mittelstand ist verunsichert, weil er nicht weiß, welche Geschäfte er mit Russland machen kann und welche nicht. Die Bauern haben Millionenschäden zu verbuchen, welche ihnen teilweise aus Steuergeldern abgegolten werden.

Profitieren werden von der neuen Eiszeit asiatische, lateinamerikanische und andere Staaten, die für die Ausfälle der Europäer einspringen können. Es ist unstrittig, dass die Sanktionen gegen Russland die Achse zwischen Russland und der EU signifikant schwächen werden.

Darüber hinaus werden die Sanktionen natürlich auch den Russen schaden. Schon heute kämpft die russische Wirtschaft mit ungesunden Strukturen, die auch darin begründet sind, dass sich der russische Staat niemals vollständig aus dem Wirtschaftsleben zurückgezogen hat. Viele Oligarchen haben immer noch unverhältnismäßig viel Macht, viele Unternehmen stehen direkt unter dem Einfluss des Kreml. Dies betrifft vor allem die Energiewirtschaft, in der ohne Putins Zustimmung praktisch nichts läuft.

Die EU und allen voran Bundeskanzlerin Angela Merkel versuchen, die Sanktionen mit moralischen Kriterien zu rechtfertigen. Doch auch in dieser Hinsicht werden die Sanktionen das Gegenteil dessen bewirken, was man sich erhofft haben mag. Tatsächlich werden als Folge Wirtschaftsfreiheit, Pressefreiheit, Bürgerrechte und viele andere, erst im Entstehen begriffene demokratische Errungenschaften durch die Sanktionen in Russland weiter zurückgedrängt werden. Es ist zu erwarten, dass der Druck des Westens Putins Macht eher stärkt als schwächt. Der russische Präsident hat seinen Einfluss jedoch nicht, wie seinerzeit Michail Gorbatschow, einer neuen Welle von Glasnost und Perestroika zu verdanken. Putins Regime beruht auf klar autoritären Tendenzen. Bereits die ersten Maßnahmen, die Putin als Gegensanktionen ergriffen hat, deuten in diese Richtung. So will die russische Regierung die Möglichkeiten ausländischer Unternehmen begrenzen, in Russland Medien zu betreiben. Dies wird zu einer weiteren Einschränkung der ohnehin nur in Ansätzen vorhandenen Pressefreiheit führen.

Vor allem aber wird durch die unversöhnlichen und feindseligen Töne das Klima zwischen Russland und den europäischen Staaten vergiftet. Eine solche Verschlechterung der Beziehungen wirkt sich nicht bloß auf die Entwicklung des Wohlstands in Russland aus. Sie hat auch Folgen für die Entwicklung der Demokratie und der Bürgerrechte.

Deutschland wird durch die Aufgabe einer eigenständigen, auf Verständigung und Ausgleich bedachten Außenpolitik gezwungen, für eine schlechte Sache zu bezahlen. Dies betrifft allerdings nicht jene Politiker, die die falschen Maßnahmen beschlossen haben. Es betrifft die Unternehmen, insbesondere die mittelständischen, deren defensive Reaktion auf die Sanktionen mittel- und langfristige Auswirkungen auf die Arbeitsplatzsituation in Deutschland haben wird.

Doch nicht nur die Wirtschaft in Deutschland wird geschädigt. Auch die deutsche Politik hat sich gründlich selbst diskreditiert. Die öffentliche Argumentation, die immer neue Gründe für immer neue Sanktionen als Vorwand gesucht hat, stößt bei der Mehrheit der Deutschen auf Ablehnung. Die Bürger Deutschlands haben das Gefühl gewonnen, dass die von ihnen gewählten Politiker ihre Möglichkeiten nicht nutzen, um Frieden und Wohlstand in Deutschland und Europa – und zu Europa gehört auch Russland – zu mehren. Es ist der Eindruck entstanden, dass sich die Europäer in ihrer Ukraine-Politik von Washington auf einen unverständlichen Konfrontationskurs haben einschwören lassen. Die nach der NSA-Affäre ohnehin schon brüchig gewordenen transatlantischen Beziehungen werden durch die blinde Ausführung der Sanktionen weiter Schaden nehmen. Dies könnte sich schon kurzfristig bei den Verhandlungen um die Freihandelsabkommen mit Kanada und den USA negativ auswirken.

Eine Politik, die fremdgesteuert agiert, verliert die Unterstützung der eigenen Bürger. Demokratie und Wirtschaft sind untrennbar miteinander verbunden, wenn es um die Erhaltung des Friedens geht. Der Flurschaden ist beträchtlich, ein Neuanfang scheint nur unter deutlich erschwerten Bedingungen möglich.

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