Industrie-Spionage: Jagd auf die deutsche Wirtschaft

Industrie-Spionage: Jagd auf die deutsche Wirtschaft

  • März 2014

Dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz zufolge entsteht den deutschen Unternehmen jährlich ein Gesamtschaden von 20 Milliarden Euro durch Industrie-Spionage. 2012 war quasi jedes zweite deutsche Unternehmen von Spionage betroffen, zeigte die Studie zur „Industriespionage 2012“ der Corporate Trust Business Risk & Crisis Management GmbH in München.

In Zeiten von Manipulationen an den Finanzmärkten wie beim Libor, bei Lebensmittelpreisen oder auch beim Gold- und Aluminiummarkt sind alle Insider-Informationen über Unternehmen und Wirtschaftsdaten von immensem Wert. Bilanzen oder Hinweise auf strukturelle Schwierigkeiten in einem Unternehmen können dabei genauso wichtig sein wie neue Forschungsprojekte. Wer darauf spekuliert, Unternehmen zu übernehmen oder gegen sie zu wetten, sucht nach allem, was nützlich sein kann. Und kaum ein Kontinent war in den vergangenen Jahren für amerikanische Firmen und Banken so interessant wie Europa, wenn es um schnelle und billige Unternehmensübernahmen ging. Die Finanzelite nimmt, was sie kriegen kann, und wird dabei auch noch von ihren Staaten unterstützt. Dafür fand auch Keith Alexander noch vor dem Ende seiner Karriere als NSA-Chef in einem Interview deutliche Worte: Die wichtigste Aufgabe der NSA sei der Schutz des globalen Finanzsystems vor Cyber-Attacken.

Doch nicht nur die USA sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Dem BND zufolge hat China allein 6.000 Experten, die in einer Abteilung des Verteidigungsministeriums nur mit dem Jagen und Sammeln von Daten beschäftigt sind. Der Weg in Richtung bargeldlose Gesellschaft und Digitalisierung aller Daten durch europäische Behörden hilft bei der Spionage. Wenn viele Daten an einem Knotenpunkt zusammenlaufen, lässt sich einfacher und schneller auf Informationen zugreifen.

Aber nicht nur Hackerangriffe, eingeschleuste Mitarbeiter und von Behörden gespeicherte Daten vereinfachen die Wirtschafts- und Finanzspionage. Auch die nichtsahnenden Mitarbeiter eines Unternehmens können heute im digitalen Zeitalter schneller bei der Spionage behilflich sein, als ihnen lieb ist. Netzwerke wie Facebook, Google Plus etc. oder auch Foren sind oft ein gefundenes Fressen für Spionage. Nicht selten erzählen Mitarbeiter hier über ihre Arbeit oder tauschen sich gegenseitig über Probleme aus. Ein ideales Feld, um Informationen abzuschöpfen. Erzählen Mitarbeiter eines Unternehmens auf solchen Plattformen persönliche Dinge, kann dies auch nützlich sein, wenn es um mögliche Hinweise auf Passwörter geht. Zudem würden Spione nicht selten Kontakt mit Mitarbeitern aufnehmen und sich als Geschäftspartner anbieten. Über Mails schicken die den Mitarbeitern dann Trojanern oder Viren, warnt die IHK München.

Besonders die Rolle der Smartphones wird mit Blick auf die Wirtschaftsspionage immer interessanter. Seit 2011 hat sich der Absatz von Smartphones hierzulande fast verdoppelt. In diesem Jahr werden Schätzungen zufolge mehr als 80 Prozent aller in Deutschland verkauften Handys Smartphones sein. Und noch schneller als bei PCs vermischt sich im Smartphone die Grenze zwischen geschäftlichen und privaten Aktivitäten. Eine Studie der Europäischen Agentur für Netz- und Informationssicherheit (ENISA) aus dem Jahr 2012 zeigte, dass unter den 16 häufigsten Gefahren für IT-Sicherheit die Zahl der Angriffe auf mobile Geräte am stärksten wächst. Apps und Spam- oder Malware sind ideal, um bei Smartphones an Daten zu kommen. In diesem Fall interessieren sich die Spione vor allem für Passwörter, mit denen sie sich Zugang zu Firmen-Informationen verschaffen können.

Die New York Times enthüllte kürzlich, dass auch viele große amerikanische Anwaltskanzleien von der NSA ausgespäht werden. Der Grund: Die Amerikaner interessieren sich für alle Details von Verträgen, die von US-Anwälten für ausländische Firmen und Unternehmen ausgearbeitet werden. Wenn die US-Konzerne oder die Regierung auf diesem Weg erfahren, welche Strategie die Gegenseite unternimmt, können deren Pläne durchkreuzt werden. In Indonesien und Australien sind solche Machenschaften bereits aufgeflogen. Es gibt keinen Grund daran zu zweifeln, dass die deutsche Industrie und der deutsche Mittelstand für die Amerikaner mindestens genauso interessant sind. Die Aufgabe der NSA besteht nicht darin, die privaten Daten der Bürger zu durchschnüffeln – hier mögen sich Kollateralschäden ergeben. Der geldwerte Vorteil der NSA-Spionage entsteht dadurch, dass die Amerikaner ihre Wirtschaftsinteressen mit allen Mitteln durchsetzen wollen.

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