Klima-Konferenz in Paris: Kommt diesmal der Durchbruch?

Klima-Konferenz in Paris: Kommt diesmal der Durchbruch?

  • November 2015

Anders als die bisherigen Klima-Konferenzen könnte Paris einen echten Durchbruch bringen. Der Grund liegt nicht darin, dass auf einmal alle Staaten grün angehaucht sind. Der Druck kommt vielmehr von der Wirtschaft: Im Automobil-Bereich sind die Amerikaner auf dem Vormarsch und wollen über Tesla, Google oder Apple die Märkte der alten Industrie übernehmen. Deutschland hat sich mit dem Volkswagen-Abgas-Skandal selbst geschwächt. Die Zukunft liegt in den Elektroautos und der Datenvernetzung. In beiden Bereichen ist Deutschland eher schwach. Zu lange hat die Auto-Industrie satte Profite mit einer überholten technischen Lösung eingefahren. Doch die Zeit der Verbrennungsmotoren ist abgelaufen.

Natürlich ist eine hochprofitable Industrie nicht bereit, freiwillig radikale Änderungen vorzunehmen. Daher ist es denkbar, dass der große Bruch diesmal von oben herbeigeführt wird. Die Innovation könnte von den Staaten erzwungen werden, die wiederum auf die Wirtschaft hören – besonders auf die Finanzwirtschaft.

Hier war das bemerkenswerteste Signal für Paris überraschenderweise aus dem Kreise der Zentralbanken zu vernehmen: Der Gouverneur der Bank of England, Mark Carney, der von Goldman Sachs kommt und im Moment vielleicht der mächtigste Zentralbanker der Welt ist, sagte Anfang Oktober in einer Rede vor britischen Versicherungsunternehmen bei Lloyds, dass der Klimawandel schon bald als Risiko für die Finanzstabilität eingestuft werden könnte. Die britischen Versicherer haben Assets in der Höhe von etwa 2 Billionen Pfund in Energie-Unternehmen, die fossile Energie fördern – also vor allem Öl und Gas.

Wenn die Zentralbank zu dem Ergebnis kommen sollte, dass der Klimawandel so fortschreitet, dass er verschärfte Regulierung erfordert, würden die Assets zu „gestrandeten Assets“ werden. „Gestrandete Assets“ sind Assets, welche von unvorhergesehenen und vorzeitigen Abschreibungen, Abwertungen oder Umwandlungen in Verbindlichkeiten negativ betroffen wurden. Der Grund: Wenn den Unternehmen, die fossile Brennstoffe fördern, aus Klimaschutz-Gründen massive Auflagen gemacht werden, könnten die fossilen Brennstoffe nicht mehr verbrannt werden. Investments in solche Unternehmen würden dann wertlos.

Carney überraschte mit der für einen Zentralbanker erstaunlich klaren Aussage, die Regulierung könne schrittweise, aber auch sehr abrupt kommen: „Die Herausforderungen, vor die uns der Klimawandel heute stellt, verblassen vor jenen, die noch kommen könnten. Wenn der Klimawandel so weit fortgeschritten ist, dass er ein Risiko für die Finanzstabilität darstellt, könnte es bereits zu spät sein.“

Diese Ansage könnte bei der Klima-Konferenz eine entscheidende Dynamik entfalten: Denn offenbar haben sich Zentralbanken und Regierungen bereits abgesprochen, bei dem Thema in die Offensive zu gehen. Sie sehen darin weniger eine ökologische Mission, als vielmehr eine Chance, die Konjunktur zu beleben. Der Fall Volkswagen hat gezeigt, dass die Zusammenarbeit der internationalen Regulatoren bereits bestens funktioniert. Dies muss nicht nur im Fall der Kontrolle so sein. Auch neue Standards könnten auf diesem Wege durchgesetzt werden. Damit aber würde die Klima-Konferenz bei ihren Beschlüssen auf eine Struktur zurückgreifen, die weit über den guten Willen hinausgeht. Das Klima ist in der Realpolitik angekommen – und die Finanzindustrie ist ihr stärkster Anwalt.

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