Die größte Revolution findet derzeit nicht auf den Straßen statt. Während Regierungen auf der ganzen Welt versuchen, die Konjunktur zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu nutzen, machen sich ganze Industrien in rasanten Tempo an die digitale Transformation.
Was vor knapp 20 Jahren mit „dem Internet“ begonnen hat, setzt sich heute mit Artificial Intelligence (AI) fort. AI ist nicht mehr Science Fiction. Viele Unternehmen arbeiten fieberhaft daran, Prozesse über Algorithmen abzubilden und neu zu strukturieren. Wie real und einschneidend die Veränderungen sind, zeigt das Beispiel der Flugsicherung. In Skandinavien werden Kontrolltürme, Schichtprotokolle und Radarschirme durch virtuelle Kommunikation ersetzt. Der Mensch als Faktor in Person der stressgeplagten Fluglotsen wird im diesem Prozess nicht überflüssig. Allerdings muss er für neue, anspruchsvollere Arbeiten ausgebildet werden. Die Gesellschaften sind in allen Bereichen gefordert. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit.
Viele Regierungen haben allerdings erkannt, welche Implikationen die Verzahnung von Produktion und Alltag mit den neuen Technologien hat. Sie sehen die Chancen, ihre Position im globalen Wettbewerb zu verbessern. So pirscht sich Russland, von der Weltöffentlichkeit weitgehend unbemerkt, langsam an ein Projekt für eine russische Bitcoin heran. Die neue Blockchain-Technologie bietet den Russen die Chance, eine Verschiebung der globalen Balance zu ihren Gunsten herbeizuführen.
So hat sich Russlands Präsident Wladimir Putin mit Vitalik Buterin getroffen, dem Erfinder von Ethereum. Ethereum soll das herkömmliche Abschließen von Verträgen ersetzen, indem Vereinbarungen als Computerprogramme (Smart Contracts) festgehalten und durch diese kontrolliert werden. Ethereum ermöglicht es den Nutzern auch, auf einfache Weise eigene Kryptowährungen wie Bitcoin zu starten.
Die hinter Ethereum stehende revolutionäre Technologie gilt in der Programmierer-Szene als vielversprechend. Dies zeigt sich auch darin, dass die von Ethereum verwendete Kryptowährung Ether aktuell mit einer Marktkapitalisierung von rund 24 Milliarden Dollar die zweitgrößte hinter Bitcoin ist.
Das Treffen zwischen Wladimir Putin und Vitalik Buterin fand kürzlich beim Internationalen Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg statt.
Der erst 23 Jahre alte Programmierer Vitalik Buterin ist geborener Russe, zog aber im Alter von sechs Jahren mit seinen Eltern nach Kanada. Er hat daher auch einen kanadischen Pass. Heute lebt er in Singapur. Im Jahr 2013 startete er das Ethereum-Projekt. Buterin ist die nächste Generation der Gründer nach Google, das ebenfalls von einem russischen Emigranten – Sergej Brin – mitbegründet wurde.
Russland ist bei weitem nicht allein. China erlebt gerade, wie digitale Währungen zur Kapitalflucht genutzt werden. Die Regierung in Peking wird faktisch gezwungen, Antworten zu finden, die nicht, wie früher, in einfachen und durchsetzbaren Verboten bestehen. Die Blockchain-Technologie schafft Sicherheit – auch vor dem staatlichen Zugriff. Die G20 versuchen, die neue Entwicklung unter Kontrolle zu bekommen. Erstmals sind den Regierungen und internationalen Organisationen die Hände gebunden: Die neue Technologie macht Prozesse und Transaktionen unsichtbar. Die Regulierung ist mit herkömmlichen Mitteln nicht möglich.
Natürlich besteht die Gefahr, dass, wie schon beim „Internet“ staatliche Lobbyisten, hemmungslose Kriegstreiber und ihre willigen Helfer und internationale Cyber-Banden die neue Technologie kapern und sie nicht zum Nutzen, sondern zum Schaden der Menschheit einsetzen. Soweit sind wir jedoch noch nicht. Aktuell überwiegt die Faszination über eine Revolution, die keiner bemerkt und die am Ende doch jeden betreffen wird.