Die Flüssiggas-Offensive: Neue Ära auf dem Rohstoffmarkt

Die Flüssiggas-Offensive: Neue Ära auf dem Rohstoffmarkt

  • Juni 2019

Der Anteil von verflüssigtem Erdgas (Liquified Natural Gas – LNG) an Europas Energiemix war bisher verschwindend gering. Der Hauptgrund dafür: Es war zu teuer, weil es gegenüber Rohöl oder Erdgas einige Charakteristika aufweist. LNG ist Erdgas, welches bei superkalten Temperaturen von minus 162 Grad Celsius erst verflüssigt werden muss und damit einen Großteil seines Volumens verliert. Es muss dann mit Spezialtankern transportiert und am Zielort wieder in den gasförmigen Zustand umgewandelt oder direkt als Treibstoff und Energieträger eingesetzt werden. Aus diesen Gründen liegen die Preise für den Rohstoff im Allgemeinen deutlich über denen anderer Energieträger wie Rohöl oder Erdgas.

Doch seitdem in den USA eine Regierung an der Macht ist, welche sich die Durchsetzung US-amerikanischer Interessen im In- und Ausland („America First“) auf die Fahnen geschrieben hat, haben sich die Rahmenbedingungen auf Europas Energiesektor geändert und LNG erlebt einen unerwarteten Aufschwung.

Eine von der US-Regierung initiierte und letztendlich durch diplomatischen Druck zustande gekommene strategische Kooperation zwischen der EU und den USA auf dem Energiemarkt soll den Amerikanern nun zusätzliche Gasexporte nach Europa ermöglichen.

Die US-Regierung zielte mit ihrem Vorstoß vor allem darauf ab, die starke Abhängigkeit Europas von russischen Energieimporten – welche immer auch politische Abhängigkeiten mit sich bringen – zu vermindern. Das Versprechen der Europäer, künftig mehr von dem vergleichsweise teuren US-Flüssiggas zu importieren, basiert demnach auf rein politischen und nicht auf wirtschaftlichen Gesichtspunkten.

Zum zweiten darf nicht übersehen werden, dass eine Steigerung der Flüssiggasexporte die aus Sicht der Amerikaner in Schieflage befindliche Handelsbilanz verbessert. Den Europäern dürfte nicht entgangen sein, dass Trump die in den vergangenen Monaten gegen China verhängten Importzölle nicht zuletzt mit einer angestrebten Korrektur der Handelsungleichgewichte zu rechtfertigen versucht hatte.

Ein weiterer Vorteil der Vereinbarung für die Europäer bestand zudem darin, dass ein potenzieller Streitpunkt mit dem wichtigsten Verbündeten geklärt wurde, bevor es zu einer offenen Konfrontation kam. Dafür nehmen die Europäer die im Marktvergleich höheren Preise in Kauf.

In Deutschland existiert bislang jedoch keine nennenswerte Infrastruktur zur Verteilung von LNG. LNG lässt sich nicht nur ins Gasnetz einspeisen, sondern kann auch direkt als Kraftstoff für Schiffe und schwere LKWs eingesetzt werden. Da vor allem die Schifffahrt ihre Umweltbilanz verbessern muss, ist LNG als Schiffstreibstoff der Zukunft im Gespräch. Zumindest neue Kreuzfahrtschiffe können mit LNG fahren – aber auch einige Fähren. Und die ersten Containerriesen mit LNG-Antrieb sind bereits in Auftrag gegeben.

Die USA waren mit einer Produktion von 734,5 Milliarden Kubikmetern im vergangenen Jahr größter Erdgasproduzent der Welt – vor Russland und dem Iran. Damit sind die USA fast autark. Sie haben ihre Gasproduktion kräftig ausgeweitet – auch mit Hilfe der umstrittenen Fracking-Technologie – und stehen an der Schwelle zum Netto-Exporteur. Im vergangenen Jahr haben die USA ihre LNG-Exporte von 4,3 auf 17,4 Milliarden Kubikmeter gesteigert. Davon gingen 2,6 Milliarden Kubikmeter nach Europa – und gar nichts nach Deutschland.

Mittelfristig könnten die USA über erhebliche überschüssige Gasmengen verfügen, für die sie aufnahmefähige Märkte suchen – auch in Europa. In den USA gibt es bislang erst ein LNG-Exportterminal am Golf von Mexiko. Weitere sind geplant und sollen im nächsten Jahr fertiggestellt werden. Durch den Gasboom ist Erdgas in den USA nur halb so teuer wie in Europa – in Asien lassen sich noch höhere Preise erzielen. Umweltschützer haben jedoch große Bedenken. Sie kritisieren die sogenannte Fracking-Methode, mit der das Gas in den USA gewonnen wird. Beim Fracking wird Gas oder Öl mit Hilfe von Druck und Chemikalien aus Gesteinsschichten herausgeholt, was Gefahren für die Umwelt birgt. Kritik wird auch an der Verflüssigung durch starkes Abkühlen geübt, weil dies nach Angaben von Umweltschützern bis zu 25 Prozent des Energiegehalts des Gases kostet.

Es bleibt abzuwarten, welche Rolle Flüssiggas in Europa in den kommenden Jahrzehnten spielen wird. Sicher ist, dass sich die geopolitischen Gegensätze zwischen den Produzentenländern USA und Russland – aber auch zwischen den verfeindeten Staaten im Nahen Osten – in der ein oder anderen Weise bemerkbar machen werden.

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