Krieg um Syrien: Es geht um Öl und Gas

Krieg um Syrien: Es geht um Öl und Gas

  • April 2018

Der Krieg um Syrien ist kein Bürgerkrieg in dem Sinne, dass verfeindete Gruppen, Parteien oder Ethnien gegeneinander kämpfen. Es geht beim Krieg in Syrien um handfeste wirtschaftliche und geopolitische Interessen. Die Beurteilung der Lage ist schwierig, weil diese Interessen nicht statisch sind, sondern auch die Ziele der in den Krieg involvierten ausländischen Mächte wechseln. Es entstehen neue Allianzen, was auch mit den innenpolitischen Verhältnissen in den einzelnen Staaten zusammenhängt. Viele Staaten haben offizielle Soldaten geschickt oder finanzieren Söldner, um ihre militärischen Ziele zu erreichen.

Die Golfstaaten wollen ihre Vormachtstellung bei Öl und Gas behalten. Sie sind die Stellvertreter der Westmächte. Saudi-Arabien hat einen ziemlich ruppigen Machtwechsel hinter sich. Der neue starke Mann, Mohammed bin-Sultan, hat eine gute Achse zu US-Präsident Donald Trump und will eine enge Partnerschaft mit Frankreich aufbauen.

Die Amerikaner wollen eine führende Rolle im globalen Energiemarkt übernehmen. Sie setzen auf Öl und Gas und wollen in diesem Segment vor allem Russland Marktanteile abnehmen. Doch die Russen haben die Gefahr erkannt, die ihnen aus einem Bedeutungsverlust im Nahen Osten droht. Mit der militärischen Intervention zugunsten der gewählten syrischen Regierung unter Präsident Baschar al-Assad ist es ihnen gelungen, in der Region eine neue Rolle zu spielen. Russlands Präsident Wladimir Putin hat geschickt neue Allianzen geschmiedet. Er ist mit dem Iran verbündet und unterhält auch zu der Regierung des Irak gute Beziehungen. Vor allem aber hat Putin ein neues Verhältnis zur Türkei und zu Israel aufgebaut. Israel will im Süden Syriens präsent sein und sicherstellen, dass die Erdgas-Vorkommen im Mittelmeer ausgebeutet und nach Europa transportiert werden können. Die Türkei will sich ebenfalls als Transitland positionieren und nutzt die chaotische Lage zu Gebietsgewinnen im Norden.

Im Hintergrund spielt vor allem China eine wichtige Rolle. China braucht viel Energie und will mit der Neuen Seidenstraße an seine jahrtausendealte globale Präsenz anknüpfen. Militärisch kooperieren die Chinesen unauffällig mit den Russen, wobei Peking vor allem als Financier für von Russland unterstützte Söldner auftritt.

Die größte Unbekannte ist die künftige Politik der neuen US-Regierung. Schon Präsident Barack Obama hatte es als Fehler bezeichnet, internationale Konflikte von Söldnern ausfechten zu lassen. Trump will eine klare Verschiebung der Kräfte von den Söldnern, die bisher von der CIA gesteuert wurden, hin zur regulären Armee. Seine Ankündigung, sich aus Syrien zurückziehen zu wollen, dürfte jedoch nur eine Finte sein: Die Amerikaner stützten sich auf die Franzosen, die Anfang April mit einer Operation durch Spezialkräfte in Nordsyrien begonnen haben. Washington setzt auch weiterhin auf den NATO-Verbündeten Türkei. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan kooperiert somit sowohl mit den Amerikanern als auch mit den Russen.

Diese Entwicklung könnte darauf hindeuten, dass es Russen und Amerikanern nicht um eine Konfrontation, sondern um eine Aufteilung Syriens in Einflusssphären gehen dürfte. Die US-Truppen beherrschen den Osten, die Russen den Westen. Die Partnerschaft zwischen der Assad-Regierung und dem Kreml stellt in diesem Zusammenhang einen gewissen Vorteil für Moskau dar. Eine Partnerschaft auf Ewigkeit dürfte die wechselseitige Unterstützung allerdings nicht sein, sondern eher ein Militärbündnis auf Zeit.

Russland und die USA dürften darauf setzen, dass keine der beiden Großmächte jemals ein globales Monopol auf dem Energie-Sektor haben wird. Es läuft vielmehr auf ein Duopol hinaus, mit welchem sowohl der OPEC als auch allen kleineren Playern wie Kuwait, Norwegen oder Australien die Grenzen aufgezeigt werden können.

Europa liegt in diesem Markt zwischen den Fronten – was ein Vor- und ein Nachteil sein kann. Der Vorteil besteht darin, dass Europa als Kunde von mehreren Anbietern profitieren kann, weil Preise verhandelt werden können. Der Nachteil besteht allerdings darin, dass die EU-Staaten selbst unterschiedliche Interessen verfolgen, wie sich an der Diskussion um Nord Stream 2 zeigt. In einer solchen Zersplitterung könnten Russen und Amerikaner ein Preis-Kartell bilden, bei dem die Europäer nicht nur die Kosten des Krieges in Syrien zahlen, sondern sich am Ende auch mit dem Gedanken an höhere Energiepreise abfinden müssen.

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