Auf allen Immobilien-Märkten in Europa zeigt sich dasselbe Bild: Wegen der niedrigen Zinsen hält die Flucht in Sachwerte an. Anleger, die neuerdings fürchten müssen, dass auch ihre privaten Spareinlagen auf der Bank mit Strafzinsen belegt werden, suchen händeringend nach Alternativen. Viele Möglichkeiten bieten sich nicht an: Staatsanleihen in Europa sind aus Renditegesichtspunkten unsinnig, ja sogar mitunter wertvernichtend. Die Börsen sind extrem volatil. Es ist fast nicht möglich zu beurteilen, ob die Preise realen Werten entsprechen oder ob Spekulanten gerade hinter den Bewegungen stecken. Auch Rohstoffe befinden sich in einer Berg- und Talfahrt, selbst den Gold-Preis kann niemand mehr vernünftig antizipieren.
Daher scheint vielen die Immobilie als das sicherste Investment. Tatsächlich haben sich die europäischen Immobilienmärkte lange gut gehalten: Sie haben viel Liquidität aus aller Welt angezogen. Doch nun sieht man an den verschiedenen Märkten, dass es zumindest nicht mehr ungebremst nach oben geht: Die Luxusimmobilien in London erleben einen drastischen Wertverfall. Die Blase wurde hier durch das starke britische Pfund angefacht. Die UBS sieht in ihrem „Global Real Estate Bubble Index“ ein „Blasenrisiko“ nicht nur in London: In Europa sollen in zahlreichen Großstädten die Wohnimmobilien überbewertet sein. Dazu zählen auch Frankfurt, Paris oder Zürich.
Für Deutschland gibt es noch keine akute Sturmwarnung. Der Chefvolkswirt der Sparkassen-Finanzgruppe, Michael Wolgast, sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten allerdings schon vor zwei Jahren: „Für die Sparkassen-Finanzgruppe sehen wir zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine Immobilienblase in Deutschland. Dies belegt eine sorgfältige Analyse der Preisentwicklung, die insbesondere auch zwischen Regionen und einzelnen Marktsegmenten unterscheidet. Die Gefahr, dass mit dem Niedrigzinsumfeld neue Preisblasen entstehen, ist allerdings nicht von der Hand zu weisen. Insofern gilt es hier, wachsam zu bleiben.“ Zwei Jahre später – die Preise sind weiter gestiegen – scheint es geboten, wirklich wachsam zu investieren.
Ein besonderes Problem würde entstehen, wenn es tatsächlich zu einer Deflation kommt. Dieses Schreckgespenst wird von der EZB an die Wand gemalt. Im Falle einer Deflation verlieren Sachwerte an Wert, während der Wert von Geld steigt. Das bedeutet: Die Kredite, die für Wohnimmobilien aufgenommen wurden, können nicht mehr ausreichend besichert werden, wenn die Immobilie an Wert verliert. Damit könnten Schuldner in erhebliche Bedrängnis geraten.
Möglicherweise steuert hier eine neue EU-Verordnung gegen – wenngleich unbeabsichtigt. Denn die Regulierung zu Wohnimmobilien sieht vor, dass die Kreditwürdigkeit von Privatpersonen wesentlich schärfer kontrolliert wird. Waren bisher die Besicherung der Immobilie und ein Gehaltszettel ausreichend, müssen die Banken nun genau prüfen, wie die finanziellen Verhältnisse eines Kreditnehmers in der Zukunft sind. Das ist faktisch unmöglich und wird daher dazu führen, dass vor allem junge Familien kaum noch Kredite für ihre Wohnungen bekommen. Wenn es wirklich zu einer Deflation kommt, mag der eine oder andere, der sich am Ende ärgert, von Glück reden, dass er nicht in die Schuldenfalle getappt ist.