Business statt Krieg: Chinas Flirt mit der Welt

Business statt Krieg: Chinas Flirt mit der Welt

  • April 2015

China könnte die USA bis zum Jahr 2030 als größte Wirtschaft der Welt ablösen. Das Land verlässt sich bei seinem neuen Expansionskurs auf eine andere Strategie als viele Weltmächte: Mit Handel und Geschäftstätigkeit will man Partner gewinnen – nicht mit Eroberungskriegen. China hat kein Interesse an einer Weltmachtposition, sehr wohl aber an einer angemessenen Rolle in einer multipolaren Welt.

Der größte Hemmschuh für eine nachhaltige Expansion ist die Schuldenlast. Die Staatsschulden betragen derzeit umgerechnet etwa 30 Billionen US-Dollar. In den nächsten Jahren könnte die Schuldenquote Chinas auf bis zu 400 Prozent des Bruttoinlandsprodukts anschwellen, wenn das Wachstum der Wirtschaft sich weiter verlangsamt.

Ein weiteres Problem ist der stetige Abfluss von Kapital. Die chinesische Zentralbank muss immer mehr Geld in den Markt pumpen, um Liquiditätsengpässe zu verhindern. Anleger kaufen lieber im großen Stil Anleihen europäischer Konzerne, anstatt auf dem heimischen Finanzmarkt zu investieren. Sie machen sich dabei geschickt die Abwertung des Euro zunutze. Seit 2009 flossen zudem 15 Milliarden Euro in den europäischen Immobilienmarkt. Chinas Investoren wollen sich vor einem eventuellen Platzen der heimischen Immobilienblase schützen. Ein Wechsel an der Spitze der Kommunistischen Partei soll das Land modernisieren. Staatspräsident Xi Jinping gilt im Vergleich zu seinen Vorgängern als Reformer. Bestes Beispiel sind die Anstrengungen im Kampf gegen die Korruption, die kurzzeitig sogar den Absatz Schweizer Luxusuhren nach China merklich gedämpft haben.

Der Yuan wird gezielt zu einer Weltreservewährung aufgebaut. Mit der Etablierung der Chinesischen Entwicklungsbank (AIIB) entsteht eine Finanzallianz aus Staaten aus der ganzen Welt – mit China als Zentrum. Die USA fühlen sich von diesen Entwicklungen bedroht. Eine neue, mächtige Entwicklungsbank als Konkurrenz zur Weltbank reduziert den Einfluss der USA in der internationalen Finanzwelt. China kann finanzpolitisch zum neuen „Reich der Mitte“ aufsteigen. Großbritannien, Australien, Brasilien, Russland, Südkorea und sogar Japan haben Interesse an einer Teilnahme bekundet. Auch Deutschland, Frankreich und Italien wollen Gründungsmitglieder werden. Reformen sollen die Abhängigkeit der Wirtschaft vom Exportsektor reduzieren. Um diesen Transformationsprozess zu bewältigen, will Staatspräsident Xi Handelshemmnisse abbauen und China ins Zentrum eines globalen Marktes setzen. Von Bundeskanzlerin Angela Merkel kommt Zuspruch: Sie will ein Freihandelsabkommen mit China so bald wie möglich abschließen.

Eine neue Handelsinfrastruktur – in Anlehnung an die historisch bedeutende Seidenstraße – soll Asien und Europa besser vernetzen. Im zweiten Jahrhundert v.Chr. bis ins achte Jahrhundert n.Chr. war die Seidenstraße die wichtigste wirtschaftliche Verbindung der Welt. Auf ihr wurden nicht nur wertvolle Rohstoffe, sondern auch kulturelle Güter und Werte ausgetauscht. Für das moderne Projekt investierten Chinas Konzerne bislang 40 Milliarden Euro in den Bau neuer Schienen und Straßen. Die Regionen Taiwan, Peking und Hongkong werden durch Freihandelszonen stärker miteinander vernetzt.

Internationale Kritik richtet sich gegen die erneut steigenden Militärausgaben. Der Etat wurde um zehn Prozent aufgestockt auf umgerechnet 115 Milliarden Euro. Die tatsächlichen Ausgaben dürften noch deutlich höher liegen. Alles für die Friedenssicherung, beteuert Peking. Doch es dürfte dabei auch um die Sicherung der Vormachtstellung im ost- und südchinesischen Meer gehen. China liegt im Streit mit den Nachbarländern über die Rechte an rohstoffreichen Meeresgebieten.

Chinas globale Strategie ist von kleinen Schritten geprägt. Noch ist der Abstand zu den USA erheblich, der Dollar liegt Welten vor dem Yuan. Doch China ist als großer Halter von US-Staatsanleihen ein ernstzunehmender Herausforderer für die globale Hegemonie der Amerikaner. Als Gläubiger kann Peking Washington in Schach halten, die US-Regierung kann sich eine offene Aggression gegen China nicht leisten.

Ob China in einer modernen Welt eine führende Rolle spielen kann, wird sich an einer anderen Front entscheiden: Demokratie und Menschenrechte, der Umgang mit ethnischen Minderheiten und die Meinungs- und Pressefreiheit sind in China noch nicht annähernd so ausgeprägt, wie es einem modernen Staatswesen entspricht. Die Internetzensur und der staatliche Dirigismus behindern die freie Entfaltung von Innovationen, ohne deren Dynamik eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse im globalen Gefüge nicht möglich ist.

Sind Sie an dieser oder einer anderen Ausgabe aus unserem Archiv interessiert? Dann schreiben Sie uns eine Email mit der genauen Ausgabennummer, dem Titel und der gewünschten Stückzahl an:
leserservice@deutsche-wirtschafts-nachrichten.de