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Die große Umverteilung: Warum die EZB druckt
- Februar 2015
Die Strategie der Europäischen Zentralbank (EZB) kann den Euro-Raum in eine neue Schuldenkrise führen. Die EZB greift zum letzten Mittel, um die Wirtschaft in der Eurozone anzukurbeln. Sie pumpt ab März Monat für Monat 60 Milliarden Euro in die europäischen Finanzmärkte. Bis September 2016 druckt sie insgesamt 1,1 Billionen Euro, die den Staaten, Banken und Unternehmen in Form von Krediten zur Verfügung gestellt werden sollen.
EZB-Chef Mario Draghi beginnt mit dem Ankauf von Staatsanleihen. Dazu brauchte der ehemalige Investmentbanker nicht einmal eine Abstimmung in seinem Direktorium abzuhalten. Die Mehrheit für diese Entscheidung sei seinen Worten zufolge so groß, dass es keiner Abstimmung bedürfe. Das ist aus zwei Perspektiven problematisch: Einerseits wurde Mario Draghi nicht demokratisch gewählt, trifft nun aber im Alleingang Entscheidungen, die die Wirtschaft in Europa über Jahre hinweg maßgeblich beeinflussen werden. Des Weiteren überschreitet die EZB mit ihrem Programm zum Ankauf von Staatsanleihen ihr Mandat. Das Programm gleicht einer direkten Staatsfinanzierung durch die Notenpresse.
Bereits 2012 hatte der ehemalige Goldman-Sachs-Banker angekündigt, alles zu tun, was nötig sei, um den Euro zu retten. In der Folge wurde der Leitzins kontinuierlich bis auf das Rekordtief von derzeit 0,05 Prozent abgesenkt. Die bloße Ankündigung – die in den vergangenen zweieinhalb Jahren die Finanzwelt beruhigt hat – wird nun Realität.
Doch die Realwirtschaft profitiert nicht von dem Geldsegen. Das Geld wird überwiegend bei den Banken bleiben, die damit auf den internationalen Finanzmärkten spekulieren. Der Kurs der 30 größten deutschen Aktienunternehmen stieg infolge des rasanten Verfalls des Euro auf wöchentlich neue Rekordstände von über 11.000 Punkten. Es zeichnet sich jedoch bereits die Bildung einer neuen Finanzblase ab. Analysten der US-amerikanischen Bank JPMorgan haben den Dax auf „Neutral“ von „Overweight“ herabgestuft. Der niedrige Ölpreis hat die hohen Börsenwerte befördert. Sollte es an den Rohstoffmärkten wieder bergauf gehen, würde eine wichtige Stütze für den Dax wegfallen und könnte einen Crash auslösen. Mit vermeintlich sicheren Finanzprodukten können Banken kaum noch eine Rendite erzielen. Finanzinstitute in Osteuropa, in Italien und Frankreich werden Draghis Milliarden benutzen, um mit risikoreichen Wertpapieren ihre Bilanzen auszubessern.
Beim jüngsten Stresstest der EZB hatten Italiens Banken am schlechtesten abgeschnitten. Geldinstitute wie Monte Paschi und Carige müssen noch immer große Kapitallöcher stopfen. Frankreichs größte Bank BNP Paribas forciert wegen neuer Belastungen ihren Sparkurs. Schärfere Steuer- und Regulierungsvorschriften dürften nächstes Jahr den Überschuss um rund 500 Millionen Euro drücken, teilte die Bank mit.
Allen Sparmaßnahmen und Spekulationsbemühungen zum Trotz besteht die Möglichkeit, dass Banken und Staaten noch mehr Schulden anhäufen. Das weiß auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, der sich gegen eine Intervention der EZB ausspricht. Weidmann kritisiert, dass die EZB den Staaten den Anreiz nehme, ihre Institutionen zu reformieren.
Bestes Beispiel ist Griechenland. Ungeachtet des seit Jahren laufenden Kreditprogramms, in dem die Troika aus EZB, IWF und EU Griechenland über 240 Milliarden Euro bereitgestellt hat, hat sich die Schuldenlast des Landes nicht reduziert. Reformen kommen kaum voran. Der harte Sparkurs wurde auf dem Rücken der Bevölkerung in Form von Steuererhöhungen und Lohnkürzungen ausgetragen. Der regierende Ministerpräsident Alexis Tsipras der Linkspartei Syriza will das Spardiktat der Troika beenden. Diskussionen um einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone flammen wieder auf.
In Spanien wird Ende 2015 ein neues Parlament gewählt. Hier steht die Protestpartei Podemos bereits in Stellung. In Frankreich gewinnt die rechte Partei Front National um Chefin Marine Le Pen immer mehr Anhänger.
Die Schuldenspirale dreht sich dank der Geldschwemme der EZB vorerst weiter. Der Euro befindet sich auf Talfahrt. Mario Draghi will das Inflationsziel von zwei Prozent erreichen. Dabei nimmt er in Kauf, dass der Euro zu einer weichen Währung wird und sich die Eurozone in den Abwertungswettlauf einreiht, in dem sich andere Zentralbanken – allen voran die japanische Zentralbank und die US-amerikanische Fed – bereits seit Jahren befinden. Ökonomen bezweifeln, dass sich die Inflation im Euroraum durch die Milliarden der EZB signifikant steigern lässt. Österreichs Zentralbank-Chef Ewald Nowotny zufolge habe die EZB „ihr letztes Pulver voreilig verschossen“.
Die Entscheidungsträger weigern sich weiterhin, über Alternativen nachzudenken. Die Einführung von nationalen Währungen – allen voran die Einführung der griechischen Drachme – scheint die erste logische Maßnahme. Doch es gibt noch radikalere Modelle. US-Ökonom Kenneth Rogoff von der Harvard University legte einen Plan vor, nachdem das Bargeld komplett abgeschafft wird. Ein weiterer Vorschlag geht sogar so weit, das Geld der EZB Bürgern und Unternehmen direkt zu schenken – ohne Umwege über die Banken. Doch bevor Alternativen diskutiert werden können, führt Mario Draghi Europa in einen neuen Schuldenzyklus.