Konstantin Wecker: „Ich bin ein radikaler Demokrat und ein radikaler Pazifist“

Konstantin Wecker: „Ich bin ein radikaler Demokrat und ein radikaler Pazifist“

  • November 2014

Der größte Nachteil besteht in der neuen Militarisierung in Europa: Der Liedermacher Konstantin Wecker hat das im Interview mit den Deutschen Wirtschafts Nachrichten so formuliert: „Wir sind eine sehr kriegerische Gesellschaft geworden. Vom ersten Atemzug unseres Lebens wird uns eine Wirklichkeit aufgezwungen, die auf Kampf angelegt ist.“

Dieser Kampf ist kein Wettbewerb im marktwirtschaftlichen Sinne. Es ist ein der Gesellschaft aufgezwungener Marsch in die Zerstörung. Es gibt Wirtschafts-Theorien, die besagen, dass Kriege die beste Stimulanz für die Weltwirtschaft sind. Tyler Cowen von der George Mason Universität hatte diese alte Idee in der New York Times aufgewärmt und der US-Regierung empfohlen, sich zu überlegen, wie man das lahmende Wirtschaftswachstum auf diese Weise beflügeln könnte. Krieg kann allerdings nicht nur unter einem rein ökonomischen Aspekt gesehen werden. Die These Cowens lässt alle sozialen Komponenten außer Acht. Würde man Tote und Verwundete mit einem verlorenen Geldwert in die Rechnung einbeziehen, kann kein Krieg unterm Strich als profitabel bezeichnet werden.

Neben dem Kultur-Verfall haben die Russland- Sanktionen und das Engagement der EU in der Ukraine auch handfeste Konsequenzen für die Steuerzahler in Europa: Die EU ist entschlossen, der Ukraine einen „Bail-out“ zu gewähren, der langfristig mit Sicherheit die Griechenland-Dimension übertreffen wird. Griechenland wurde im Laufe der Rettungsaktion mit Krediten in Höhe von insgesamt 240 Milliarden Euro zugeschüttet. Die Folge: Die Verschuldung des Landes ist in den vergangenen zwei Jahren auf rund 175 Prozent des BIP in die Höhe geschnellt. 2012 waren es gemäß Eurostat 156,9 Prozent. Arbeitslosigkeit und Armutsquote liegen unverändert auf nicht nachhaltigem Niveau.

Die erste Rechnung, die die EU-Steuerzahler in der Ukraine zu bezahlen haben werden, sind die Schulden, die die Regierung in Kiew beim ebenfalls nicht zimperlichen russischen Staatskonzern Gazprom nicht mehr bedient. EU-Kommissar Günther Oettinger hat bereits vor Monaten angekündigt, dass die EU bereit stehe. So ungeschickt kann man in einer Verhandlungssituation nur vorgehen, wenn es sich um Geld handelt, dass andere für die Politiker verdienen müssen.

Noch nachhaltiger kann der Schaden allerdings auf einem anderen Sektor sein: Die Sanktionen verstärken die totalitären Tendenzen in Russland. Die Presse- und Meinungsfreiheit wurde drastisch eingeschränkt. Das Feindbild des „dekadenten Westens“ bekommen gesellschaftliche Gruppen zu spüren, die schon vor den Sanktionen einer beispiellosen Diskriminierung unterworfen waren, wie etwa die Homosexuellen, die im Übrigen auch in der Ukraine – trotz der angeblichen Zugehörigkeit des Landes zu Europa – gegen Diffamierung und Verfolgung kämpfen müssen.

Der Konfrontationskurs, in den die EU von der US-Regierung getrieben wurde, beschleunigt die Rückkehr zur Staatswirtschaft. Dieser Trend ist in all jenen Ländern zu erkennen, in denen unkontrollierte Geldflüsse aus dem Ausland nicht die Zivilgesellschaften, sondern bestimmte Oligarchen gestärkt haben. Dies gilt für Länder wie Bulgarien und Rumänien ebenso wie für die Ukraine. Es gilt jedoch auch für Russland, obwohl die Sanktionen das Gegenteil hätten bewirken sollen: Die beiden russischen Gaskonzerne Gazprom und Rosneft sprechen erstmals von einer Zusammenarbeit. Im Schatten der Sanktionen wird in Russland der letzte Rest der Marktwirtschaft beseitigt.

Wenn in Russland unter dem Druck von Außen neue Staats-Monopole entstehen, wird das nicht, wie von Angela Merkel und Barack Obama gerne behauptet, Putin und seiner Umgebung schaden. Den Preis zahlt die russische Bevölkerung, der der Kreml unter dem Vorwand des Patriotismus immer neue Entbehrungen auferlegen kann. Den höchsten Preis zahlen in Zeiten der politischen Repression immer die Ärmsten in einer Gesellschaft. Höhere Inflation und schlechtere Versorgung werden die Folgen sein. Der Absturz des Rubels ist ein Vorbote von möglichen Verwerfungen. Das Ziel, dass damit eine neue Revolution ausgelöst und Putin gestürzt werden könnte, ist nur mit dem „Opfer“ zu erreichen, dass die Bürger in Russland wie in Europa für den Schaden zahlen, den ihnen ihre politischen Eliten zugefügt haben.

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