Vorsicht wird zum Risiko: Der Sparer ist der Dumme

Vorsicht wird zum Risiko: Der Sparer ist der Dumme

  • Juli 2014

Die EZB muss die Euro-Zone stabilisieren. Sie tut dies mit radikalen Maßnahmen. Da die Politik in Europa nicht mehr über genügend Instrumente verfügt, um Wachstum zu erzeugen, müssen die Sparer dran glauben. In Österreich musste mit Kärnten zum ersten Mal ein Land von seinen Garantien für das Milliardengrab der Hypo Alpe Adria zurücktreten. Nun sollen die Gläubiger die Zeche zahlen. Was mit der Zwangsabgabe in Zypern begonnen hat, setzt sich fort: Die Schuldner haben sich auf die Suche nach den Schuldigen begeben.

Die künftige Wirtschaftsweise Isabel Schnabel hat die Europäische Zentralbank (EZB) gegen Kritik aus Deutschland verteidigt. Die deutschen Sparer hätten auch Vorteile von der Niedrigzinspolitik der Notenbanker um EZB-Präsident Mario Draghi, sagte Schnabel der Mainzer Allgemeinen Zeitung. „Auch die Sparer profitieren von einer Stabilisierung der Euro-Zone. Insofern ist es falsch, es so darzustellen, als ob die Sparer nur Nachteile durch die geringen Zinsen hätten”, sagte die Mainzer Ökonomin. „Wenn man die Krise nicht in den Griff bekommt, wird das noch viel schmerzhafter und teurer.”

Die 42-Jährige, seit 2007 an der Mainzer Universität Professorin für Volkswirtschaftslehre, ist von der Bundesregierung als Nachfolgerin von Claudia Buch als Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vorgeschlagen worden – den sogenannten Wirtschaftsweisen. Buch wechselte zur Bundesbank.

Schnabel sieht in den niedrigen Zinsen aber auch Risiken. Es steige „die Gefahr von Preisblasen bei Immobilien und Aktien”, sagte sie in dem Interview weiter. Vor wenigen Tagen hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ebenfalls gewarnt, er sehe in Deutschland angesichts der lockeren Geldpolitik die Gefahr von Preisblasen am Immobilienmarkt.

Die EZB hatte Anfang Juni ihren Leitzins fast bis auf null Prozent gekappt und erstmals einen Strafzins für Banken eingeführt, die Geld lieber bei ihr parken als es an Unternehmen als Kredite weiterzugeben. Die Währungshüter wollen zudem in den kommenden Monaten mit weiteren milliardenschweren Geldspritzen versuchen, die Kreditvergabe anzuregen. Diese stockt vor allem in vielen von der Krise besonders gebeutelten Ländern Südeuropas. Wirtschaft und Politik in Deutschland hatten die Beschlüsse der Euro-Notenbanker zuletzt teils scharf kritisiert.

Zuvor hatte bereits der CDU-Wirtschaftsrat die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank verteidigt. „Letztlich ist zu erwarten, dass sich der Euro auf einen Wechselkurs von 1,30 zum Dollar entwickeln soll. Dies hilft der Exportfähigkeit der Südländer und schadet der deutschen Wirtschaft nicht”, sagte der Präsident des Wirtschaftsrates, Kurt Lauk.

Lauk ließ keinen Zweifel, dass die Maßnahmen der EZB von der Bundesregierung gutgeheißen werden und einem klaren politischen Ziel dienten: „Im Übrigen hilft die Zinssenkung auch dem deutschen Bundeshaushalt. Was dem deutschen Sparer schadet, trägt zum Haushaltsausgleich bei.” Die EZB wird die Zinsen vier Jahre lang nicht erhöhen. Merkel und Schäuble sind entschlossen, den Euro auf Kosten der deutschen Sparer zu retten.

Das ist eine bemerkenswerte Aussage: Damit gesteht erstmals ein Merkel-Vertrauter, dass die Strategie der Euro-Rettung auf Kosten der Sparer ganz bewusst verfolgt wird. Jeder, der ein kleines Vermögen für das Alter zurückgelegt hat, muss auf der Hut sein. Mit dem Sparbuch verlieren die Kunden wegen der Kaufkraft reales Geld. Das Risiko von Banken-Crashs ist längst nicht vom Tisch.

Lauk betonte, dass der Euro ohne Solidarität mit anderen Euro-Ländern nicht zu haben sei. „Die EZB hat kurzfristig erneut Zeit für die Politik gekauft.” Dies sei derzeit angemessen, stelle aber „mit Sicherheit langfristig keine Lösung dar“. Die Zinspolitik der EZB zeige vielmehr, dass die Eurokrise nicht beendet sei.

Die von der EZB beschlossene Niedrigzinspolitik setzt den Euro weiter unter Druck. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble findet, dass „die EZB hat einen exzellenten Job gemacht” hat.

Lauk räumte immerhin ein, dass der Vorgang der Enteignung nicht ganz unproblematisch sei: „Demokratietheoretisch sind hier Fragezeichen anzumerken. Eigentlich muss die Politik handeln.” Eigentlich.

Doch für die Bürger der EU gibt es keine angebrachte Repräsentation. Parlament und Kommission sind derzeit damit beschäftigt, sich um die frei werdenden Posten und Ämter zu reißen, die im Zuge der „Wahl“ des neuen EU-Kommissionspräsidenten zu vergeben sind. Es sind keine guten Zeiten für besonnene Sparer.

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